Abendländische Handschriften
Die abendländischen Handschriften entstammen zum großen Teil rheinischen bzw. westdeutschen Herren- und Klosterbibliotheken. Zum überwiegenden Teil besteht der Bestand aus theologischer Literatur. Einige neuzeitliche Handschriften wurden inzwischen digitalisiert und in den Digitalen Sammlungen der ULB Bonn bereitgestellt.
Ein Großteil der mittelalterlichen Codices besteht aus Sammelbänden (57, davon 44 theologische, dazu 9 Legendarien).
Theologische Literatur überwiegt auch sonst im mittelalterlichen Bestand. Der neuzeitliche Handschriftenbestand bietet eine bunte Mischung von Aktenfaszikeln, Alben, Manuskripten, Handexemplaren, Plänen u.v.m., auch ausgewählten Briefen und Urkunden. Bei Gründung der Bibliothek (1818) wurden 36 Handschriften aus der aufgelösten Duisburger Universitätsbibliothek übernommen, ca. 40 aus der Gymnasialbibliothek in Koblenz (1821).
Wertvolles kam 1819 mit 39 rheinischen Handschriften ins Haus, die Jacob Grimm 1815 in Paris für Preußen reklamiert hatte.1835 gelang der Erwerb der bei weitem kostbarsten Bonner Handschrift, des mit 345 Miniaturen geschmückten Prosa-Lancelot, der 1286 im nordfranzösischen Raum entstanden war.
Ein größerer Zuwachs konnte 1911 mit 11 rheinischen Handschriften aus der Sammlung des englischen Bibliophilen Sir Thomas Phillipps verzeichnet werden.
Wie groß der Bonner Handschriftenbestand bei Kriegsbeginn war, ist unbekannt; eine Bestandszählung von 1935 gibt zwar 1716 Handschriften (davon 1454 abendländische, davon 240 vor 1600) an, doch dürften sich unter den 1214 Positionen neuzeitlicher Handschriften nach 1600 zahlreiche Teil- und Splitternachlässe sowie Sammlungen befinden, die in derselben Signaturengruppe untergebracht sind wie die Buchhandschriften.
Eine Verlustliste von 1968 enthält außer einer Fülle von Gelehrtenpapieren auch 34 mittelalterliche Handschriften, von denen eine 1993 zurückgewonnen wurde. 2018 wurden 11 mittelalterliche und 2 neuzeitliche Handschriften aus belgischem Privatbesitz an die Universitäts- und Landesbibliothek zurückgegeben.
Die mittelalterlichen und einige neuzeitliche Handschriften der ULB Bonn sind im Rahmen eines Großprojektes zur Erfassung mittelalterlicher abendländischer Handschriften von der Hill Monastic Manuscript Library verfilmt worden. Kopien der Filme können mit Erlaubnis der ULB Bonn von dort bezogen werden.
174 mittelalterliche Handschriften wurden von 2007 - 2013 im Katalogisierungszentrum der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz mit finanzieller Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschlossen und sind im Handschriftenportal nachgewiesen.
Der gedruckte Katalog ist Ende 2015 erschienen. Er weist alle mittelalterlichen Handschriften der Bonner Universitäts- und Landesbibliothek nach, und zwar einschließlich der Stücke, die nach dem 2. Weltkrieg als fehlend festgestellt wurden anhand von Vorkriegsverzeichnissen und -literatur, und der mittelalterlichen Fragmente.
Die 2018 wiedererlangten 11 mittelalterlichen Handschriften wurden - gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft - von 2020 bis 2021 in Manuscripta Mediaevalia tiefenerschlossen und sind nun ebenfalls im Handschriftenportal beschrieben.
Die neuzeitlichen Handschriften werden zur Zeit in Kalliope erfasst. Manuskripte mit regional- oder lokalgeschichtlichem Bezug sind bereits digitalisiert und in den Digitalen Sammlungen der ULB Bonn veröffentlicht worden.
Kataloge / Verzeichnisse
- Klette, Anton, Staender, Joseph: Chirographorum in Bibliotheca academica Bonnensi servatorum catalogus, Bd. 2. Bonn 1858 - 1876.
Verzeichnet sind 856 abendländische Handschriften incl. der Manuskripte, Handexemplare u.ä. in Nachlässen des 19. Jhs.; 525 von ihnen (davon 26 mittelalterliche) wurden nach dem 2. Weltkrieg als fehlend festgestellt. Die Nummern dieses Katalogs wurden - mit vorgestellter Kennung S - als Signaturen des Handschriftenbestandes übernommen. - Rheinische Handschriften der Universitätsbibliothek Bonn. Bonn 1941.
Verzeichnet sind 180 mittelalterliche Handschriften; 145 von ihnen sind noch vorhanden. - Universitätsbibliothek Bonn. Verzeichnis der nach dem 2. Weltkrieg als fehlend festgestellten Handschriften. Hrsg. v. Viktor Burr. Bonn 1968. [vervielf. Typoskript]
Enthält 1505 Einträge (nur abendländischer Bestand), darunter 34 mittelalterliche Handschriften. - Handschriftencensus Rheinland. Erfassung mittelalterlicher Handschriften im rheinischen Landesteil von Nordrhein-Westfalen mit einem Inventar. Hrsg. v. Günter Gattermann. Wiesbaden 1993. (Schriften der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf ; 18)
Enthält Handschriften bis 1550 (ohne Fragmente und Archivalien). Beschrieben sind aus dem Bestand der ULB Bonn 174 Codices, darunter 5 zweibändige (verzeichnet sind also 169 Signaturen. - Geiß, Jürgen: Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Berlin 2015.
- Geiß-Wunderlich, Jürgen: Kriegsverlust, Finderglück und gutes Ende. Elf aus Belgien restituierte mittelalterliche Handschriften der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. In: Mittellateinisches Jahrbuch, Band 57 (2022), H. 2, S. 165-200.
Literaturhinweis
- Fischer, Irmgard: Die Handschriftenabteilung - Rückblick und Ausblick. In: Aus der Geschichte der Universitätsbibliothek Bonn. Hrsg. v. Renate Vogt. Bonn 1993, S. 130 - 141.