Inkunabeln
Die Inkunabeln der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn sind seit 1891 in einer eigenen Gruppe aufgestellt. Bereits 1894 erschien ein Katalog der Bonner Inkunabeln. Seit 2004 ist der Bestand im elektronischen Inkunabelkatalog INKA nachgewiesen. Unikate und Rarissima sind in den letzten Jahren digitalisiert worden und über die Digitalen Sammlungen der ULB Bonn online zugänglich.
Die seit 1891 als eigene Gruppe aufgestellten Inkunabeln (Stand 2020: 1307 Werke in 1038 Bänden in den Signaturengruppen Inc. und Sav., dazu 31 Dubletten bzw. Tripletten) sind nur zu einem kleinen Teil in der Gründungsphase (1818-1820) in die Bibliothek gekommen.
Unter den ca. 6000 Bänden der alten Universitätsbibliothek Duisburg, die 1818 der Universität Bonn zugewiesen wurden, waren auch 50 Wiegendrucke.
Weitere Zugänge, die zahlenmäßig nicht genau bekannt sind, kamen Anfang der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts aus Koblenz, Trier, Corvey und Dalheim (Kreis Büren) nach Bonn. Es handelte sich um Dubletten oder Reste der an den genannten Orten aufgelösten Klöster.
Eine größere Erwerbung (52 Titel) gelang 1857, als Friedrich Ritschl von der Hof- und Staatsbibliothek München einen Posten Dubletten übernahm.
Unter den 854 Bänden aus der Fürstlich Starhembergischen Schloßbibliothek zu Eferding (Oberösterreich), die 1893 nach Bonn gelangten, waren 32 Inkunabeln.
Abgesehen von diesen Fällen, wo größere geschlossene Inkunabel-Komplexe erworben wurden, hat man sich in Bonn stets bemüht, gute und den normalen Bestand ergänzende Einzelstücke zu erhalten.
Verdienste in dieser Hinsicht erwarben sich vor allem die beiden "Professorenbibliothekare" Welcker und Ritschl.
Auch nach 1900 wurde die Sammlung stetig erweitert, u. a. in den zwanziger Jahren durch Tauschgeschäfte mit der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln.
Inhaltlich ist die Sammlung sehr ausgewogen zusammengesetzt. Neben den für mittelalterliche Klosterbibliotheken typischen theologischen Werken sind juristische Kommentare und Ausgaben antiker Autoren gut vertreten.
Von den großen theologischen Handbüchern des ausgehenden Mittelalters sind das Catholicon des Johannes Balbus in drei Ausgaben, darunter auch das Mainzer Catholicon (GW 3182) aus dem Besitz der Koblenzer Jesuiten, und das Beichthandbuch des Astesanus de Ast ebenfalls in drei Ausgaben vorhanden.
Die Vulgata liegt in 17, zum Teil kommentierten Ausgaben vor, von denen die schön rubrizierte 48-zeilige Bibel Peter Schöffers (GW 4204, nur Bd 1) besondere Erwähnung verdient.
Hoch- und niederdeutsche Bibeln sind in Augsburger, Nürnberger und Kölner Editionen vorhanden.
Für die deutsche Rechtsgeschichte sind das Bayerische Landrechtsbuch (H 9867) sowie der Sachsen- und Schwabenspiegel von Bedeutung.
Die Schedelsche Weltchronik ist in den beiden Nürnberger Originalausgaben (H 14508 und H 14510) von 1493 und in dem Augsburger Nachdruck von 1496 (H 14511) vorhanden. Als Zeugnis eines frühen Wörterbuchdrucks verdient der Vocabularius, qui intitulatur Teuthonista des Gerardus de Schueren (Köln 1477, H 14513) Beachtung.
Unter den Herkunftsorten überwiegen die am Rhein gelegenen Druckorte. An Kölner Drucken des 15. Jahrhunderts besitzt die Bibliothek 210 Titel. Stark vertreten sind aber auch die Erzeugnisse italienischer Offizinen; mit 284 (Stand 1894) ermittelten Drucken hält Venedig (noch vor Köln) die Spitzenposition.
Die Inkunabeln wurden 1891 von Ernst Voulliéme aus dem allgemeinen Bestand herausgelöst und mustergültig in einem Katalog beschrieben, der 1894 veröffentlicht wurde.
Er ist alphabetisch angelegt, die druckgeschichtlichen Aspekte werden durch drei Register berücksichtigt. Die Titel sind diplomatisch getreu beschrieben, soweit das nicht schon bei L. Hain (Repertorium bibliographicum) und M.F.A.G. Campbell (Annales) geschehen ist.
Mehr als 300 Wiegendrucke sind in Voulliémes Katalog zum ersten Mal ausführlich beschrieben. Vernachlässigt hat jedoch Voulliéme im großen und ganzen die individuellen Besonderheiten der in Bonn zusammengebrachten Stücke. Er gibt nicht zu erkennen, wie die einzelnen Titel real in Sammelbänden u. ä. vereinigt sind, und macht auch keine Angaben über die Provenienzen.
Eine Ausnahme bilden die aus der Starhembergischen Schlossbibliothek erworbenen Stücke. Die Nummerierung des Katalogs wurde 1914 mit einem vorgesetzten "Inc." zur Grundlage der Signatur bestimmt. Dadurch blieben Nummern unbesetzt (weil die Titel zu Sammelbänden gehören), und es mussten andererseits Neuerwerbungen mit Buchstaben-Exponenten eingeschoben werden. Ein handschriftlich aufbereitetes Exemplar des Katalogs gibt an Ort und Stelle die zusätzlich benötigten Informationen.
Seit dem Jahr 2004 ist der Bonner Bestand (allerdings ohne Exemplarbeschreibungen) im Inkunabelkatalog INKA nachgewiesen. Unikate und Rarissima sowie die jeweils mitgebundenen Stücke wurden in den Jahren 2010 und 2011 digitalisiert und in die Digitalen Sammlungen der ULB Bonn eingestellt. Für diese Titel wurden auch Exemplarbeschreibungen angelegt, die in INKA nachgewiesen sind.
Kataloge / Verzeichnisse
- Voulliéme, Ernst: Die Incunabeln der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Bonn. Ein Beitrag zur Bücherkunde des 15. Jhs. Leipzig 1894. (Zentralblatt für Bibliothekswesen ; Beih. 13)
- Koeper, Bettina: Die Rautenranken-Einbände im Inkunabelbestand der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Köln 1996. [unveröff. Assessorarbeit am Fachbereich für Bibliotheks- und Informationswesen der FH Köln]
Literaturhinweis
- Corsten, Severin: Der rettende Hafen. Die Inkunabelsammlung der UB Bonn. In: Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. Mitteilungsblatt N.F. 38, 1989, S. 124-131.