Im Zentrum des Streits, der von 1891 bis 1898/99 währte, stand Karl Lamprecht (1856-1915) – einst in Bonn promoviert und ab 1891 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte in Leipzig.
Mit einer „neuen“ Methode – eine Art „evolutionistischer Geschichtsschreibung“ und mithilfe der Psychologie – wollte er die Dominanz der Politikgeschichte zugunsten einer Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte brechen. Dazu legte er eine „Deutsche Geschichte“ in mehreren Bänden vor.
Überdies sah er sich als Begründer einer objektiveren, der Wahrheit näher kommenden Geschichtswissenschaft. Diesen Anspruch wollten Vertreter der traditionellen politischen Geschichtsschreibung – à la Leopold Ranke – nicht unwidersprochen hinnehmen.
Zu ihnen gehörten Georg von Below, Friedrich Meinecke, Hermann Oncken und Felix Rachfahl. So entzündete sich eine Debatte, die vor allem hitzig und wenig sachlich geführt wurde.
Lamprecht konnte keine wirklich ausgefeilte, neue historische Methode vorweisen, während seine Kontrahenten eher kleinlich und verletzend vorgingen, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, die bisherigen erkenntnistheoretischen Grundsätze zu hinterfragen und neue, innovative Ansätze zu entwickeln. Ein unfruchtbarer Streit also, der am Ende des 19. Jahrhunderts verpuffte.
Der Streit spiegelt unterschiedliche Weltanschauungen wider, gekoppelt an eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Raum. Und er zeigt, dass es in der Wissenschaft eben nicht nur um Erkenntnis geht, sondern auch um Einkünfte, Konkurrenz und Macht bzw. „Ruhm und Ehre“.
Einblicke in diese Wissenschaftsgeschichte und ihre Protagonisten gewährt der umfassende Nachlass von Karl Lamprecht, den die ULB vollständig katalogisiert und größtenteils digitalisiert in ihren Digitalen Sammlungen frei zur Verfügung stellt.
Wissenswertes über Karl Lamprecht und den „Methodenstreit“ bieten Roger Chickering: Karl Lamprecht. Das Leben eines deutschen Historikers (2021) – zu finden in bonnus.
Sowie im Sammelband: Karl Lamprecht. Durchbruch in der Geschichtswissenschaft, herausgegeben von Jonas Flöter und Gerald Diesener, Leipzig (2015) – zu finden in bonnus.