Die ULB hat zwei Exemplare von Caspar Anton Müllers Buch „Geschichte der Stadt Bonn“ (1834) erworben: eines noch im Erscheinungsjahr 1834, das andere antiquarisch 1935. Beide trugen die Signatur Lf 891/25. Eines von diesen Exemplaren wurde jetzt, im Kontext einer Haushaltsauflösung, von Familienmitgliedern entdeckt, treffenderweise von einer Bibliothekarin und einem Bibliothekar.
Dank ihrer Expertise waren beiden sofort zwei Besitzstempel der ULB – ein Provenienzmerkmal – in dem Buch aufgefallen. Zudem fanden sie keine Hinweise darauf, dass es ausgesondert, also von der ULB selbst aus dem Bestand genommen worden war. Ihre Recherchen ergaben, dass die ULB ein Exemplar des Buches von Caspar Anton Müller im Bestand führt, dieses aber nicht vermisst wird.
Daraufhin haben beide das Gespräch mit dem Dezernat 5 „Handschriften und Altbestand“ der ULB gesucht. Eine Spurensuche begann: Alte Akzessionsjournale (Bücher, in denen die Erwerbung einzelner Titel festgehalten wurde) und Kataloge wurden durchstöbert und gemeinsam wurde das Exemplar, welches noch im Bestand der ULB geführt wird, unter die Lupe genommen.
In diesem befinden sich eine Zugangsnummer aus dem Jahr 1935 und der ausradierte, aber noch erkennbare Vermerk „2. Exemplar“. Mit diesen Informationen und aufgrund der Besitzstempel konnte das entdeckte Buch als das zuerst erworbene identifiziert werden. Im Akzessionsjournal von 1834 ist auf S. 15 dokumentiert, dass Caspar Anton Müller ein Exemplar seines Buches persönlich am 20.01.1834 in der Bibliothek abgegeben hat.
Warum und wann genau das Exemplar aus dem Bestand der ULB verschwand, kann nicht mehr genau rekonstruiert werden. Da fast 180.000 Bücher der Bibliothek bei einem Bombenangriff im Oktober 1944 zerstört worden waren, wurde zwischen 1953 und 1976 eine Revision durchgeführt.
Ziel war es, den tatsächlichen Bibliotheksbestand zu ermitteln und fehlende Bücher als Kriegsverlust zu deklarieren. Bücher mit der Signaturen-Gruppe „L“ wurden von 1964 bis 1966 überprüft. Keines der beiden Exemplare von der „Geschichte der Stadt Bonn“ kam auf die Verlustliste, aber nur ein Exemplar, und zwar das im Jahr 1935 erworbene, erhielt einen Revisions-Stempel.
Ob das andere Buch in dieser Zeit ausgeliehen und sein Ausleihschein aus dem Blick geraten war, bleibt ungewiss. Fakt ist, dass auf dem Katalogzettel weiterhin zwei Exemplare vermerkt waren, auch wenn im Regal möglichweise nur noch eines gestanden haben sollte. Erst seitdem der alphabetische Zettelkatalog in den 1990er Jahren in den EDV-Verbundkatalog NRW übertragen wurde, ist nur ein einziges Exemplar von der „Geschichte der Stadt Bonn“ nachgewiesen. Dass ein zweites Exemplar zwischenzeitlich vermisst wurde, ist nicht dokumentiert.
Das wiederentdeckte Exemplar ist nicht wertvoll, aber sein Verschwinden ist verbunden mit den verheerenden Folgen eines Krieges und seinen langen Nachwehen – ein Buch, das in mehrfacher Hinsicht von der Geschichte Bonns und seinen Einwohner*innen erzählt.